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Shamanic counseling und autogenes training 1999

Ein Vergleich

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Ein Vergleich.

Vielleicht gehören Sie auch zu denen, die es beim Wort "Schamanismus" rümpfend an der Nase kriegen. In der Tat ist alle Skepsis angemessen. Nix G´wiß waß ma ja net. Also stelle ich Ihnen eine der vielen möglichen Formen schamanischer Arbeit vor und warum ich keine Berührungsängste (mehr) habe und seit Jahren auch schamanische Verfahren in mein psychotherapeutisches Repertoire (Verhaltenstherapie, Personenzentrierte, Gestalt, Systemische usw.) aufgenommen habe.

Shamanic Counseling nach Michael Harner

Die Methode fällt mir öfters bei KlientInnen ein, bei denen die Erhöhung der Eigenständigkeit, der Eigenverantwortung und das Nützen der eigenen Ressourcen besonders indiziert erscheint.

Bei Einverständnis führe ich den Klienten zunächst kurz in schamanische Wirklichkeitskonstruktionen ein. Vor allem, daß sich schon seit Urzeiten Menschen für fähig gehalten haben, die Zentren ihrer Kraft und Weisheit aufzusuchen, um sich dort Stärkung und Antworten zu holen.

Ich erkläre, daß man als (humanistischer) Psychologe diese Ressourcen in der eigenen Persönlichkeit, vornehmlich im großen Reich des Unbewußten, ansiedeln würde, in den Stammeskulturen diese Ressourcen hingegen als helfende Geistwesen außerhalb der eigenen Persönlichkeit erlebt werden. Wobei - ähnlich wie mit dem Schutzengel in der christlichen Tradition - für jeden Menschen ganz bestimmte Spirits als zuständig angesehen werden.

Ich überlasse es den KlientInnen, ob sie sich der psychologischen oder der schamanischen Sprache und Bilderwelt bedienen wollen. Meiner Erfahrung nach macht es für die Wirkung keinerlei Unterschied.

In jedem Fall muß man, um diese Ressourcen kontaktieren zu können, das Getöse des Denkens loslassen und still werden. Durch Augenschluß und eintönige Musik tritt man in einen entspannten Bewußtheitszustand, in dem man dann Bilder aufsteigen läßt. In der schamanischen Vorstellungswelt reist man von dieser Welt in die Welt der Krafttiere und spirituellen Führer und Lehrer, um mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Eines der üblichen Entspannungs- bzw. Reisehilfsmittel ist Musik, bei vielen Naturvölkern Trommelmusik.

Wenn der Klient sich ausreichend informiert fühlt und bereit ist, lasse ich ihn die Augen schließen. Über Kopfhörer vernimmt er die gleichmäßigen Trommelschläge und wie ich ihn vorher eingeführt habe, läßt er vor seinem inneren Auge einen guten Platz in der Natur erscheinen, von dem er sich nach einem Weilchen so weit nach unten begibt, bis er in der unteren Welt angelangt ist. Üblicherweise begegnet er dort seinem (für ihn zuständigen) Kraft-Tier, dem er auch wesentliche Fragen stellen kann.

Beim Rückholsignal (Veränderung des Trommelrhythmus) bedankt und verabschiedet er sich, kehrt auf den wohligen Platz in der Natur zurück und von dort in den Praxisraum.

Die Erlebnisse werden vom Klienten während der Trance / der Schamanischen Reise laut ausgesprochen und auf Tonband aufgenommen (zweites Gerät). Anschließend hören wir das Tonband gemeinsam ab und sprechen über die Vision in der von Harner vorgeschlagenen nondirektive Vorgehensweise, die von der personenzentrierten Psychotherapie nach Rogers ja vertraut ist. Dort gelten

Wertschätzung (Akzeptanz alles vom Klienten Erzählten)
Echtheit (Kongruenz zwischen Reden und Denken bzw. Fühlen)
Verständnis (Empathie, Einfühlung in die Mitteilungen des Klienten) als wesentliche Therapeutenvariablen.
Der Unterschied besteht vorwiegend darin, daß beim Shamanic Counseling der Klient seine Mitteilungen aus einem anderen Bewußtheitszustand heraus macht.

Eine zweite weit über den Erdball verbreitete Form der Schamanischen Reise ist die zum spirituellen Führer/ Lehrerin, der/die meist in der oberen Welt vorgestellt wird.

Diese Technik des Reisens, vielleicht entdeckt durch Träume, die Problemlösungen enthielten und später bewußt induziert wurden, wurde Jahrtausende lang mehr oder weniger ausschließlich von den Schamanen der Naturvölker angewandt: zur Heilung und Problemlösung, um für das Wohl des Stammes zu sorgen und die Verbindung zu den Ahnen und anderen Welten aufrecht zu erhalten. Schon Jahrtausende vor C.Rogers, F.Perls, S.Freud und modernen Hypnotherapeuten sind sie Meister, den Reichtum und die Weisheit des Unbewußten zur Problemlösung zu aktivieren.

Der Anthropologe Michael Harner, Gründer und Leiter der Foundation for Shamanic Studies, hat - mit den zwei Tonbandgeräten - diese zeitgemäße Form der autonomen Lösungsfindung für heutige Problembesitzer entwickelt.

Autogenes Training nach I. H. Schultz

Daß Tiere sprechen können etc. kennen wir aus der Welt der Träume, der Märchen und auch der Tages-Imaginationen, mit denen z.B. auch in der Katathymen Imaginativen Psychotherapie (bisher bekannt unter "Katathymes Bilderleben"), einer Weiterentwicklung des Freien Assoziierens bei Siegmund Freud, gearbeitet wird. Üblicherweise wird auch hier aus einem Entspannungszustand heraus gebildert, die Erlebnisse werden laut ausgesprochen und der Therapeut begleitet den Klienten während der Arbeit durch Hinweise und Rückmeldungen.

Am ähnlichsten im psychotherapeutischen Behandlungsspektrum kommt dem schamanischen Reisen die Oberstufe des Autogenen Trainings, begründet in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts von dem deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz. Dieser psychoanalytisch orientierte Forscher und Praktiker, er lebte von 1884 bis 1970, kam auf einem ganz anderen Weg, nämlich der Hypnose, zu verblüffend ähnlichen Erfahrungen wie sie Schamanen seit Jahrtausenden machen.

Insbesondere die grundlegenden hypnotischen Studien (1893 - 1900) von Oskar Vogt brachten Schultz auf die Idee, "die Umschaltung in den hypnotischen Ausnahmezustand der Selbstentscheidung der Versuchspersonen zu unterstellen".

Diese "allgemeine Umschaltung" erreicht der Klient in der Selbsthypnose des Autogenen Trainings durch bestimmte physiologisch-rationale Übungen mit Augenschluß und in entspannter Körperhaltung: der "Ruhetönung", der Vorstellung von Schwere und Wärme in den Extremitäten, was erwiesenermaßen den Muskeltonus reduziert und die Blutgefäße entspannt, weiters durch Beobachtung des Atem- und des Herzrhythmus, durch wohlig warme Konzentration auf das Körperzentrum sowie die Vorstellung angenehmer Stirnkühle.

Man zwingt diese Zustände nicht herbei, sondern läßt sie im Sinne der Bezeichnung autogen (von selbst) entstehen. Wie beim Schamanischen Reisen macht sich Üben (Training) bezahlt, weil die "Umschaltung" und die Schau der induzierten Bilder immer schneller möglich wird.

Kann man diesen Entspannungszustand bereits autogen herbeiführen (das Unterstufenziel), wobei man störende Gedanken, Bilder oder Geräusche loslassen gelernt hat, ist man fähig für die Bilderschau der Oberstufe.

Und zwar verwendet Schultz diese "Selbstruhigstellung" einerseits - in der Tradition der steuernden Hypnose - durch "Formelhafte Vorsatzbildung" und/ oder Visualisierung zur Selbstprogrammierung, was heute üblicherweise als "Mentales Training" bezeichnet wird und auch von mir erfolgreich zur Heilbehandlung eingesetzt wird, vgl. die interessanten Arbeiten zur Krebsbehandlung von Simonton & Simonton.

Andererseits regt Schultz - in der Tradition der aufdeckenden Hypnose - durch "Fragen an das Unbewußte" zur Selbstwahrnehmung an, um unbewußte Zusammenhänge über sich selbst, das Leben und die Welt zu entdecken und Problemlösungen zu finden. Die selben Fragen, die der schamanisch Reisende an seine Verbündeten in den anderen Welten stellt.

So machte er die Erfahrung, daß auch durch Selbsthypnose nicht nur frühere traumatisierende Erlebnisse wachzurufen waren, die dann besprochen werden konnten, sondern daß viele in den Trancezuständen auch Einsiedlern, weisen Männern oder Frauen, Engeln oder Gott begegneten, die sich als bleibende Helfer, Führer und Lehrer der Behandelten erwiesen.

Auch in meiner persönlichen inzwischen dreißigjährigen Erfahrung mit dem Autogenen Training sowie in meiner fast ebenso langen Funktion als Trainer habe ich immer wieder die Entdeckung verborgener Problemwurzeln und Ihrer Lösung erlebt z.B. mit Hilfe des Übungseinstieges "Der Weg auf den Meeresgrund" als auch die Begegnung mit weisen Führern, die wie in der Schamanischen Reise zeitlebens immer wieder kontaktiert und gefragt werden können, vor allem mit Hilfe des Übungseinstieges "Der Weg auf die Bergeshöhe".

J.H.Schultz in seinem Standardwerk "Das autogene Training. Konzentrative Selbstentspannung. Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung: "Ein so allgemeines und so vielfache Probleme des Seelenlebens berührendes Verfahren wie das autogene Training enthält seinem Wesen nach eine Fülle von Beziehungen zu den allerverschiedensten Erscheinungen der Ethnologie und Religionspsychologie."

Er findet in den "Monotonie- und Ruheverfahren mit mehr oder weniger deutlich autohypnotischem Einschlage" im altgriechischen orphischen Kult oder bei den altchristlichen Hesychasten frühe Vorläufer. Vor den mystischen Versenkungserfahrungen in den Religionen, Yoga etc nennt er aber als erstes schamanische "Maßnahmen zur Erzeugung von Ausnahmezuständen zu magischen Zwecken bei den Bewohnern der ganzen Erde zu allen Zeiten" und beruft sich hierbei auf Stoll´s "Suggestion in der Völkerpsychologie".

Interessanterweise hat sich übrigens beim Autogenen Training darüber hinaus noch eingebürgert, daß man etwaigen Horrorszenen, die man unter Umständen erleben kann, unbedingt geschützt gegenübertritt, und zwar nicht nur während der Ausbildung durch den Trainer oder dadurch, daß man ja jederzeit aus der Trance aussteigen kann (im Gegensatz zur Verwendung halluzinogener Drogen) oder eben durch den weisen Einsiedler, sondern auch - angepaßt der Sprache von Träumen und Märchen - durch einen Zauberstab, den man gegebenenfalls in Waffen verwandeln kann oder mit dem man einen verläßlichen Schutz herstellt, durch den geschützt man dennoch die schlimmen Szenen betrachten und ihre Botschaft aufnehmen kann. Mit dem Stab kann man auch auftauchende Elemente verwandeln, sie z.B. durch Berührung dazu zu bringen, ihr wahres Gesicht zu zeigen - wodurch sich öfters allegorische Erscheinungen in bekannte Personen oder real erlebte Situationen verwandeln, die dann vielleicht besser zu verstehen sind.

Wie beim Shamanic Counseling macht der begleitende Trainer keine Therapie im engen Sinn des Wortes, sondern hilft dem Klienten vielleicht durch Fragen das Erlebte besser verstehen und annehmen zu können.

Wider Erwarten hat mich (und eine Reihe von Klienten) das Anhören der während der Trance aufgenommenen Erfahrungen der eigenen Reise sehr beeindruckt, was auch bei der personenzentrierten Arbeit öfters empfohlen wird. Beim Katathymen Bilderleben wird üblicherweise auch während des Bilderns das Erlebte geschildert, aber nicht auf Band aufgenommen. Beim Autogenen Training wird überhaupt erst anschließend berichtet.

Manche Patienten fanden es beim Erlernen des Bilderns erschwerend, die Reiseerlebnisse laut aussprechen zu sollen. Das anschließende Abhören und Besprechen dient aber hervorragend der Verankerung der Mitteilungen und Erkenntnisse.

Meist machen die Klienten - gelegentlich wie beim Autogenen Training erst nach mehreren Übungsversuchen - berührende und wesentliche Erfahrungen mit erstaunlich großen Auswirkungen auf ihr Leben und Erleben, ihre Einstellungen und ihr Verhalten. Oft wurde dadurch die weitere psychotherapeutische Behandlung wirksamer. Mehrere KlientInnen begannen, regelmäßig auf ihre innere Führung zu horchen, ihr zu vertrauen und zu folgen.

Für mich stellt die schamanische Form der Meditation eine wesentliche Bereicherung und Erweiterung meiner bisherigen Möglichkeiten dar, sowohl für mich persönlich, als auch in meiner Arbeit für meine Klienten - als wirksame Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung oder als Therapeutikum, das man sich dann jederzeit ohne zusätzliche Kosten oder mögliche Abhängigkeiten selbst applizieren kann.

In diesen Zeilen habe ich den Bezug zu drei verwandten Verfahren hergestellt, die in unserer Kultur bereits üblich und in Österreich anerkannte Psychotherapierichtungen sind. Sie werden vielleicht verstehen, daß es mir kein Problem ist, psychotherapeutische und schamanische Heilmethoden zu mischen oder hintereinander zu verwenden.

Literatur:

Gagan, Jeanette M.: Journeying. Where Shamanism and Psychology Meet.- Santa Fe, 1998, Rio Chama Publications

Harner, Michael: Der Weg des Schamanen. Ein praktische Führer zu innerer Heilkraft.- Genf, 1994, Ariston-V. Originalausgabe: The Way of the Shaman.- San Francisco, 1992, Harper Collins

Schultz, I.H.: Das autogene Training. Konzentrative Selbstentspannung. Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung.- Stuttgart, 1970, 13.bearb.u.erg.Aufl., (Erstauflage 1932) Georg Thieme V.

Uccusic , Paul: Der Schamane in uns. Schamanismus als neue Selbsterfahrung, Hilfe und Heilung.- Genf, 1991, Ariston-Verlag

Walsh, Roger N.: Der Geist des Schamanismus.- Olten, 1992, Walter-Verlag Originalausgabe: The Spirit of Shamanism.- Los Angeles, 1990, Jeremy P. Tarcher

"Außer dem Denker
gibt es aber noch andere Freunde des Wissens,
die dem Hervorbringen durch Denken nicht vorzüglich zugetan
und also ohne Beruf zu dieser Kunst
lieber Schüler der Natur werden,
ihre Freude am Lernen nicht im Lehren,
im Erfahren nicht im Machen,
im Empfangen nicht im Geben
finden"

Die Lehrlinge zu Sais

Novalis

August Thalhamer, Oktober 1999