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Jesus heilte. Und wir? 2003

Heilungen aus dem Glauben - ein neues - altes Angebot der Pfarren?

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Heilungen aus dem Glauben - ein neues - altes Angebot der Pfarren?

Nicht daran gedacht

Priesterseminar Linz, an einem Sonntag im Jahr 1962. "Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus!" wird gerade aus dem Evangelium (Matth 10) vorgelesen. So hatte Jesus die Zwölf hinausgeschickt zu verkünden "Das Himmelreich ist nahe!". Wir Studenten hören es und denken an unsere Berufung, in die Welt hinauszugehen. Aber keiner denkt dabei z.B. an reale körperliche Heilungen. Auch die Professoren nicht.

Wir hören begeistert die vielen biblischen Geschichten über Heilungen durch Jesus und seine Schüler, aber fühlen uns nicht gemeint. Schon gar nicht, wenn Jesus (Joh 14) sagt: "Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und er wird noch größere als diese tun."

Die Wende

Ich wurde ganz aufgeregt, als ich zwanzig Jahre später überlegte, ob dieser Auftrag zu heilen und die "Vollmacht über alle Dämonen und Krankheiten zu heilen" nicht doch wörtlich zu nehmen sei. Als Psychotherapeut hatte ich bereits eine Menge unglaublicher psychischer und körperlicher Verwandlungen miterleben dürfen. Zusätzlich hatte ich mich für andere Heilmethoden interessiert und u.a. eine Reiki-Ausbildung begonnen. Als wir gerade japanische Symbole lernten und übten, kam mir der Gedanke: es müßte doch auch möglich sein, unsere vertrauten christlichen Zeichen zur Heilung zu verwenden und so die Heiltradition von Jesus und seinem Schülerkreis wieder aufzunehmen, wie es auch charismatische Bewegungen tun. Was wäre, wenn Heilungen in unseren Pfarren genauso selbstverständlich praktiziert würden wie z.B. Caritas und Jugendarbeit? So war es ja wohl in den ersten Christengemeinden gewesen, die offensichtlich dafür bekannt waren, daß man hier ganzheitlich heil/ geheilt werden konnte.

Kennzeichen des Messias

Körperliche Heilungen spielen zwar im "Reich Gottes" nicht die Hauptrolle: es geht um die Eingliederung des einzelnen in einen größeren guten Zusammenhang. Jesus hat nicht alle Kranken seiner Zeit geheilt, auch nicht alle im damaligen Israel. Aber Heilungen werden als das Hauptmerkmal des Messias beschrieben. Als Johannes, der Täufer, im Gefängnis zu zweifeln beginnt und die bange Frage an Jesus rausschmuggeln kann: "Bist du der, der da kommen soll oder müssen wir auf einen anderen warten?" zitiert Jesus als Antwort Jesaja 35 etc: "Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, und Taube hören. Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet." (Mt 11)

Dabei geht es eben nicht nur um psychische/ spirituelle Heilungen wie z.B. des Zachhäus von seiner Habsucht (Lk 19), des Verwirrten aus Gerasa (Mk 5) oder der Ehebrecherin (Jo 8) sondern auch um körperliche Heilungen z.B. Simon's Schwiegermutter vom Fieber (Lk 4), von Leprakranken (Lk 5), von Gelähmten (Lk 5) und Blinden (Mt 20). Darüber hinaus beeinflußte Jesus z.B. auch das Wetter (Mt 8) oder den Fischfang (Lk 5) und trieb immer wieder böse Geister aus -

Phänomene, wie sie (belegt) auch immer wieder von SchamanInnen berichtet werden und wie ich sie z.T. auch selbst erlebt habe. Das ließ mich zweifeln, ob die biblischen Heilungen wirklich nur allegorisch, im übertragenen Sinn zu verstehen sind, wie ich viele Jahre angenommen hatte.

Nicht immer gelingt die Heilung: z.B. beim reichen jungen Mann, von dem es heißt, daß er traurig von dannen ging (Mt 19) und die Zwölf werden angewiesen, ihren Staub von den Füßen zu schütteln, wenn man sie nicht aufnimmt. Dann gibt es schwere Fälle, denen die Jünger (noch?) nicht gewachsen sind (Mk 9). Auch dies entspricht meiner persönlichen Erfahrung. Wer sich vertrauensvoll auf den Heilungsprozeß einläßt, macht immer einen wesentlichen Schritt, der ja z.B. auch darin bestehen kann, liebevoller mit sich und seinem Körper umzugehen, sich besser in der Welt verankert zu fühlen oder friedvoller als bisher mit der Krankheit leben zu können. Aber es gibt keine Garantie, daß auch die Symptome verschwinden.

Heilungen finden in den biblischen Erzählungen nicht aus Sensationslust oder zur Steigerung des Renommees statt (siehe die Versuchung Jesu Mt 4), sondern dienen wie die Geschichten vom guten Vater, der den verlorenen Sohn nicht aufgibt, oder vom guten Hirten, der dem verlorenen Schaf nachgeht (Lk 15), dazu, die Qualität des Himmelreiches zu demonstrieren, in das alle eingeladen sind, die mühselig und beladen sind, um erquickt zu werden (Mt 11).

Nachfolge

Jesus auf dem Weg des Heilens zu folgen ist allerdings nicht nur erquicklich: sicher erlebt man immer wieder ekstatische Augenblicke, in denen man von Glück und Rührung überwältigt ist wie die drei Jünger am Verklärungsberg (Mt 17), aber man erlebt - wie Jesus - auch Stunden der Verzweiflung und die "die dunkle Nacht der Seele", wie diese Phasen von manchen Mystikern genannt wurden.

Es geht darum, zu werden wie die Kinder, durchlässig für die heilende göttliche Energie zu werden und sich führen zu lassen. Es geht darum, fremde Leiden auf sich zu nehmen und sich selbst zu verleugnen, was in der fernöstlichen Mystik üblicherweise als die Aufgabe des Ego/ des Ich's bezeichnet wird. Und man muß sich vielleicht wie Jesus vorwerfen lassen, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Dazu trifft man allenthalben auf herablassendes Grinsen - dem gerade in unserer Kultur alles anheim fällt, was man naturwissenschaftlich (noch) nicht erklären kann. "Jetzt is er spinnert worden" sagte eine Kollegin, als sie erfuhr, daß ich außer Psychotherapie nun auch begonnen hatte, spirituelle Heilseminare anzubieten. Die Kritiker von Jesus, so lautet ein Witz, sagen ja, daß Jesus nur deshalb auf dem Wasser gegangen sei, weil er nicht schwimmen konnte.

Als Mahnung - auch an die Helfersyndrom-Besitzer - warnt Jesus vor ängstlicher Sorge. D.h. man solle sich nicht so wichtig nehmen, wie wenn die eigenen Fähigkeiten und Qualitäten über einen Heilerfolg entschieden. "Denn nicht ihr seid es ja, die da reden, sondern der Geist eures Vaters redet in euch" sagt Jesus in einem anderen Zusammenhang (Mt 10). Verlangt ist eine eindeutige Entscheidung. "Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz." (Mt 6)

Wie heilt Jesus?

Entscheidend ist für ihn offensichtlich die Verbindung mit dem Vater, wie er die unfaßbare göttliche Energie bezeichnet. "Ich und der Vater sind eins." Offensichtlich, um in diesem Bewußtsein zu bleiben, zieht er sich immer wieder in die Einsamkeit zurück, um zu beten (was er zusammen mit Fasten auch für die Behandlung besonders schwieriger Fälle empfiehlt). Aus diesem Einssein, aus dem Geist des Vaters heraus, berührt er den Patienten, macht ein kleines Ritual oder eine Fernheilung für Abwesende.

Der Beitrag des Patienten besteht in der Hingabe, im Vertrauen: "Dein Glaube hat Dir geholfen." Es reicht, voll Zuversicht die Quasten seines Gewandes zu berühren (Mt 14). Es geht um Einordnung in die göttliche Ordnung. Dazu ist oft metanoia nötig, Umdenken und Umkehren.

Heil zu werden geht laut Jesus weit über das Symptom hinaus. Das Körperliche, Psychische und Geistliche wird von ihm offensichtlich als eng zusammenhängend aufgefaßt. Es geht immer um den ganzen Menschen. Und nicht nur der Mensch, die ganze Schöpfung seufzt, sagt Paulus.

Wie heilen andere?

Ganz ähnlich wird es auch in vielen anderen spirituellen Richtungen gesehen. Ich war tiefst berührt, als ich entdeckte, wie viel Ähnlichkeiten die mystischen und Heilungserfahrungen der verschiedenen Religionen aufweisen, so verschieden die äußeren religiösen Abläufe und Auffassungen auch sein mögen: es scheint, daß der Mensch, der still wird, den Lärm der Gedanken hinter sich läßt und sich bereit und offen macht für das Wesentliche, ganz ähnliche Erfahrungen macht - über Kontinente und Weltanschauungen hinweg. Diese Erlebnisse sind im übrigen meist schwer in Worte zu fassen.

Ein solcher Versuch wird aber Ende April in Puchberg bei Wels gewagt bei der transpersonalen Tagung mit dem Thema "Heimkehr der Seele", wo Vertreter verschiedener Religionen und spiritueller Richtungen ihr Wissen, ihre Methoden und ihre Erfahrungen zur Heilung der Seele miteinander austauschen, einander zuhören und voneinander lernen möchten. Auch Sie sind eingeladen, teilzuhaben und Ihre eigenen geistlichen Erfahrungen mit einzubringen.

Vielleicht finden es manche einfältig, die Heilungsberichte aus der Heiligen Schrift wörtlich zu nehmen. Auch bei mir meldet sich noch immer von Zeit zu Zeit die Skepsis. Aber dagegen steht eine Fülle ähnlicher eigener Erlebnisse, die meine vorgefaßten kritischen Gedanken Lügen strafen. So geht es darum, Vertrauen zu lernen, daß der Glaube wirklich Berge versetzen kann, was auch psychologische Untersuchungen belegen z.B. über den Placebo-Effekt, der, wie man weiß, für einen großen Teil aller Heilungen verantwortlich ist, gleich, ob westlich-medizinische, psychotherapeutische oder spirituelle.

Warum sollten wir nicht beten mit Petrus und Johannes nach ihrer Freilassung (Apg 4) - sie waren nach der Heilung eines Lahmgeborenen gefangen genommen worden:

"Streck deine Hand aus, damit Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus!"
Heißt es doch weiter:
"Als sie gebetet hatten, bebte der Ort, an dem sie versammelt waren, und alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt, und sie verkündeten freimütig das Wort Gottes."

Erschienen in der Linzer Kirchenzeitung am 14.4.2003