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Brauche ich Drogen zur Ekstase? 2002

Eine schamanische Alternative.

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Eine schamanische Alternative.

Öde schleicht das Leben dahin. Nichts als Schwierigkeiten. Da hilft als Ausweg einmal ein Joint, einmal dies, einmal das. Dazu kommt Neugierde, Forschungslust, Gelegenheit, Gruppenzugehörigkeit etc. Nicht erst seit der 60er-Jahre-Psychedelia kennt und benützt man psychotrope Substanzen zur Ekstase - um aus sich herauszutreten. Wer möchte das nicht?

Vielleicht auch durch den Wegfall der aufregenden Übergangsrituale, z.B. zum Erwachsenwerden, sind manche geneigt, durch Rauschmittel außergewöhnliche Erlebnisse zu erzielen. Hatte in den Stammeskulturen die Drogeneinnahme die Funktion, aus der Anderswelt Kraft, Weisheit und Antworten für das alltägliche Leben zu holen, nehmen die Junkies unserer Tage Drogen meist zur Flucht aus der Alltagswelt. Wie bei den meisten Fluchtmitteln wird dann dieses selbst zum Problem, z.B. durch körperliche und/oder psychische Abhängigkeit, das zu dem ursprünglichen Problemen noch hinzu kommt.

Alternative: "Schamanische Reise"

Arbeiten, essen, schlafen kann doch nicht alles sein. Um ein Leben zu führen, das sich nicht in Routineabläufen erschöpft, braucht man den Ausstieg aus der Alltagswirklichkeit: durch die Liebe, die Kunst, Naturerlebnisse, Musik, Tanzen, Reisen, Sport, Hobbys . . . oder durch den Eintritt in andere Bewußtseinswelten. Der Verlust des Kontaktes zu diesen anderen Welten und ihr Ersatz durch Streben nach Konsum und Gewinnmaximierung ist m.E. ein Hauptgrund dafür, daß vielen in unserer Industriegesellschaft das Leben so langweilig, einsam und problematisch erscheint.

Außerhalb unserer Kultur und zu allen Zeiten vorher wußte sich der Mensch eingebunden in größere kosmische Zusammenhänge und sah das Sicht-, Meß- und Zählbare (das die meisten von uns für das einzige Existierende halten) nur als einen kleinen Teil der Realität an. Sie wußten um die Existenz anderer Welten - in die man auch zu reisen lernte. Als Psychologe würde ich sagen, daß man z.B. mit Hilfe von Trommelmusik in Trance ging, um in einem veränderten Bewußtheitszustand die unendlichen Räume des (kollektiven) Unbewußten auszuloten und mit seinen gewaltigen Ressourcen in Kontakt zu treten. In einigen Weltgegenden werden dazu auch Drogen verwendet, interessanterweise meist dort, wo es so feucht ist, daß eine Trommel nicht bis zum Ende des Rituals ausreichend gespannt bliebe. Wie auch immer, der Schamane hält mit Hilfe der Ekstase die Welt der Menschen, der übrigen Natur und der Geistwelt im Gleichgewicht und er hat erlebt, daß sie trotz ihrer unterschiedlichen Erscheinungsformen eins sind.

Drei Unterschiede

Drogenkonsum heute als Versuch, die alten Fähigkeiten und das alte Wissen wiederaufleben zu lassen? Die Erfahrungen Drogenabhängiger (übrigens auch von Schizophrenen) und von Schamanen sind auf jeden Fall ähnlich. Jeder bereist die Anderswelt. Es gibt aber mindestens drei wesentliche Unterschiede (sonst müßte ja jeder Drogenkonsument ein Schamane sein):

1. Bei der schamanischen Reise mit Hilfe von Musik lege ich selbst fest, wann ich hinübertrete und ich bestimme auch, wann ich zurückkehre. Ich muß nicht das Wirken der Drogen bzw. die abnehmende Wirkung abwarten.

2. Ich lasse mich nicht irgendwo hintreiben, sodaß ich etwas x-beliebiges Schönes oder irgendeinen Horrortrip erlebe, sondern ich kontaktiere gezielt meine Krafttiere und Geistführer, mit deren Hilfe und Schutz ich dann die aufregendsten Erfahrungen machen kann. Ich kriege so viel von ihnen, daß ich nicht nur selbst bereichert zurückkehre, sondern sogar andere auf ihrem Weg unterstützen oder sie heilen kann.

3. Ich gehe nicht in die anderen Welten zur Flucht, z.B. weil ich das Alltagsleben nicht für lebenswert halte, sondern reise hin und her wie ein Importeur, der laufend die tollsten Waren ins Land bringt: das Ziel ist, DIESE Welt (die in der schamanischen Diktion meist als die "mittlere" bezeichnet wird) so bunt, lebendig, erfüllt und lebenswert zu machen, daß ich gar nicht mehr flüchten muß.

Drogeneinnahme - ein Versuch der Transzendenz

Mit Hilfe der Substanzen wechsle ich von der Ebene des Alltagsbewußtseins auf die Ebene des Transzendenten/ Göttlichen. Bedauerlicherweise bleibt dabei die berauschende und unglaubliche Kreativität und die Weitung des Bewußtseins meist auf den Trance-Zustand beschränkt und wird nicht fruchtbar für die Entwicklung meiner Persönlichkeit, für meine Beziehungen und meine Arbeit. Im Gegenteil, der Zwangsgedanke an das nächste Mal und wie ich an den Stoff rankomme und wie ich ihn bezahlen kann, engt mein Leben mehr und mehr ein. Es ist erwiesen, daß man mit Hilfe von Trommeln, Rasseln etc. (wie mit Hilfe von Hyperventilation u.ä.) ähnliche Bewußtseinsveränderungen hervorrufen kann wie durch die Einnahme psychedelischer Drogen - aber ohne die gefährlichen Auswirkungen. Zudem lassen sich die Erlebnisse erfahrungsgemäß leichter ins Alltagsleben integrieren - auf jeden Fall unter Anleitung eines Erfahrenen.

So können schamanische und andere Meditationsformen geradezu der Heilung der genannten Unfreiheit dienen. Ich höre, daß ein Teil der nordamerikanischen Schamanen ursprünglich von Alkohol oder Drogen abhängig oder schizophren waren, aber diesen hilflosen Zustand, der sie zum Opfer machte, mit therapeutischer/ schamanischer Unterstützung überwinden konnten und dadurch zum Schamanen wurden. Ihre Fluchtkrankheit war schon ein Hinweis auf ihre Fähigkeiten und ihre Berufung.

Ich möchte ein Leben führen, daß sich auszahlt gelebt zu werden - und dazu gehören auch ekstatische Erlebnisse. Warum aber einen Ersatz wählen, wenn ich das Original haben kann?

"Die Seele sehnt sich nach Ekstase und Freiheit,
aber sie kann sie nur erreichen, wenn sie ihre Verhaftung an begrenzte Selbstbilder losläßt.
Für den ekstatischen Flug, die Reise ins Unbekannte,
braucht die Schamanin einen Geistführer."

Aus einer Vision von Rowena Pattee, in: Doore, Gary (Hrsg.): Opfer und Ekstase. Wege der neuen Schamanen.- Freiburg i.Br., 1989, Verlag Hermann Bauer